201607.31
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Für die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners genügt
es, wenn der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen und dem Verhalten
des Schuldners bei natürlicher Betrachtungsweise den zutreffenden Schluss
zieht, dass jener wesentliche Teile, also 10 v.H. oder mehr, seiner ernsthaft
eingeforderten Verbindlichkeiten im Zeitraum der nächsten drei Wochen nicht
wird tilgen können. Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Beurteilung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Zahlungsunfähigkeit ist auch dann anzunehmen, wenn der Schuldner die Zahlungen eingestellt hat. Kennt der Gläubiger die Tatsachen, aus denen sich die Zahlungseinstellung ergibt, kennt er damit auch die Zahlungsunfähigkeit. Bewertet er das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, diesen Schluss nicht gezogen
zu haben.
Dabei, so erkennt der BGH, stellt das bekannte sprunghafte Anwachsen der Zahlungsrückstände in den Vor-Monaten trotz einzelner noch erbrachter Zahlungen schon für sich gesehen ein gewichtiges Indiz für die Kenntnis der Zahlungseinstellung dar.
Erst recht liege es so, wenn dem Anfechtungsgegner aus einem Schreiben der Schuldnerin bekannt geworden sei, dass diese selbst im Fall einer Liquiditätszufuhr nicht in der Lage sein werde, die Forderungen des Gläubigers vollständig zu erfüllen und zugleich Abschlagszahlung mit Ratenzahlungen ankündigt.
Selbst eine zuvor (unter Druck) erlangte Zahlung läßt die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit nicht entfallen.
Der BGH führt insoweit aus, dass ein Gläubiger, dem der Schuldner nach Eintritt der Zahlungseinstellung Ratenzahlungen zur Abwendung der allein aus seiner Forderung herzuleitenden Insolvenz anbietet, regelmäßig nicht davon ausgehen kann, dass die Forderungen anderer Gläubiger, mit denen bei einem gewerblich tätigen Schuldner immer zu rechnen ist in vergleichbarer Weise bedient werden wie seine eigenen. Er kann sich nicht der Erkenntnis verschließen, dass andere Gläubiger davon absehen, in gleicher Weise wie er Druck auf den Schuldner auszuüben, um ihre Forderungen einzutreiben. Vielmehr muss er damit rechnen, dass andere Gläubiger die schleppende Zahlungsweise des Schuldners und damit die Nichtbegleichung ihrer Forderungen hinnehmen. Darum entspricht es einer allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Schuldner um sein wirtschaftliches Überleben zu sichern unter dem Druck eines besonders auf Zahlung drängenden Gläubigers Zahlungen bevorzugt an diesen leistet, um ihn zum Stillhalten oder zur

Lieferung dringend benötigter Gerätschaften zu bewegen. Vor diesem Hintergrund verbietet sich im Regelfall ein Schluss des Gläubigers dahin, dass der Schuldner seine Zahlungen auch im Allgemeinen wieder aufgenommen habe
Diese Grundsätze gelten auch für den Fall einer erzwungenen einmaligen Abschlagzahlung in erheblicher Höhe, welche aber den bestehenden Zahlungsrückstand längst nicht abdeckt.

Quelle: BGH Urteil vom 16. Juni 2016 – IX ZR 23/15